Was geschieht gerade mit uns? Wie stellt ein Virus unser Leben, das unserer Kinder und Enkel auf den Kopf? Ist es wirklich nur der Virus oder kranken wir vielmehr an zunehmenden Phänomenen wie Respektlosigkeit, Rücksichtslosigkeit, Missachtung der Menschenwürde und unaufhaltsamer Gier?
Diese und weitere Aspekte möchte ich kurz anhand politischen, gesellschaftlichen und persönlichen Auswirkungen beleuchten, wobei diese hier jeweils nur kurz angerissen werden können und sich auch nur auf ein paar wesentliche Erscheinungen konzentrieren werden. Weitere Ausführungen sind für eine spätere umfangreichere Publikation vorgesehen.
Über vierzig Jahre Berufserfahrung im IT-Sektor, zwanzig Jahre „Klassische Musikwirtschaft“ am Goetheplatz in München, fünfzehn Jahre kulturelle Arbeit bei „Netracos“ einer Agentur für Kulturmanagement und kulturelle Bildung und vor acht Jahren die Gründung der „Kulturwerkstatt im Oberland e.V.“ einem gemeinnützigen Verein zur Förderung von Kunst und Kultur haben zur Folge, dass man im Laufe seines Lebens einer Unzahl von Menschen unterschiedlichster Spezies und Herkunft begegnet ist und ein ziemlich großer Freundeskreis entstanden ist – darunter viele Künstler, Kulturschaffende, Kunst- und Kulturliebhaber, die gleichfalls aus Kunst und Kultur Kraft schöpfen und Freude an der Schönheit von Kunst und Kultur haben.
Warum sind es gerade die Kulturschaffenden, die unser Leben bereichern? Sich sogar systemrelevant machen? Wie hängen „Wissenschaft & Bildung“, „Philosophie & Ethik“ und „Kunst & Kultur“ miteinander zusammen? Gibt es ein Allheilmittel, das uns aus der Krise führt? Impfstoffe, Quarantäne, Abschottung, Distanz und Masken? Diese und viele andere Fragen gilt es zu beantworten. Konzentrieren wir uns zunächst auf das Wesentliche. Ich bin weder Philosoph, noch Wissenschaftler noch Theologe. Aber mein Menschenverstand, mein Körper, meine Seele signalisieren mir einen Weg, den ich für mich beschreite und den ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.
Corona ist nicht die Ursache. Corona ist nur der Auslöser. Corona regt zum Nachdenken an, was unser Leben auf diesem Planeten lebenswert macht.
Im Brennpunkt
Es ist der heutige „Homo oeconomicus“, der per Definition rein rational handelt und danach strebt, seinen eigenen Nutzen zu maximieren. Sein Handeln folgt dem Ziel seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Als rücksichtsloser Produzent, der seinen Gewinn maximiert, der andere ausbeutet oder als respektloser Konsument, der seinen Nutzen maximiert. Eine Schraube, die ins Unendliche zu wachsen droht? Immer mehr, immer weiter, immer schneller? Nein, es gibt kein unendliches Wachstum. Alles hat eine Grenze. Vor dieser Grenze stehen wir gerade. Die Natur weiß sich zu wehren und gibt uns eine Antwort auf den unersättlichen Lauf der Globalisierung. Es ist nicht Corona das Problem. Die ganzen, längst bekannten Fehlentwicklungen treten mit Corona auf einmal wie unter einem Brennglas in konzentrierter Form zu Tage.
Welches sind denn die Bereiche, die besonders in den Fokus gerückt sind? Es sind die Fragen nach der Erderwärmung, dem Auseinanderdriften von Armut und Reichtum, funktionierenden Sozial-, Rechts- und Steuersystemen, Vermittlung von Bildung in den Schulen und Universitäten, Energietechnik, Verkehr und Automobilentwicklung, Sinn und Unsinn von Digitalisierung, Sicherheit und Datenschutz, Landwirtschaft und Ernährung und letztendlich unsere daraus resultierende Gesundheit ganz allgemein und der Klimawandel.
Nur, es gibt weder richtige noch beste Konzepte oder Lösungen. Alles hängt von den örtlichen Gegebenheiten und äußeren Bedingungen ab. Das eine ist immer so gut wie das andere, wenn es sinnvoll, ökologisch zum Einsatz kommt.
Es scheint Hoffnung am Firmament. Schweißt der gemeinsame Feind zusammen? Stehen wir vor einer positiven Wende im Umgang mit unseren Mitmenschen und unserer Umgebung? Es sieht nicht danach aus. Kaum glaubt der Mensch wieder alles im Griff zu haben, verfällt er in den alten Trott. Dazu kommen die Lobbyisten und die Politik, die man inzwischen als den größten Hemmschuh ansehen muss, getrieben von Geld und Macht. Ist Panikmache besser als Mut machen? Es gäbe so kluge Köpfe in unserer Gesellschaft. Sie sitzen nur im falschen Boot und rudern in die verkehrte Richtung.
Dennoch gibt es Hoffnung. Über Jahrtausende war es die Kultur, die den Menschen am Leben gehalten hat. Sie ist lebensnotwendig und damit „systemrelevant“. Und so wird es auch diesmal wieder der Fall sein. Kultur in ihrer Gesamtheit mit ihren geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen in einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung. Warum werden dann aber in dieser Krise die Großunternehmen, die Großindustrie in besonderem Maße mit Corona-Hilfen unterstützt und warum macht man gerade der Kultur- und Kreativwirtschaft, die am härtesten von Schließungen und Schutzmaßnahmen betroffen sind das Überleben so schwer. Gerät man gar in Existenznöte ist der freie soziale Fall vorprogrammiert.
Im freien Fall
Und wieder ist Corona nur das Brennglas, das die Missstände bei unseren Gesetzgebern und Behördenans Tageslicht bringt, muss man Soforthilfe oder gar Grundsicherung in Anspruch nehmen. Corona derpersönliche Unheilbringer. Die Soforthilfe ist sicher ein Instrument, um kurzfristig die Situation zu beruhigen. Sie hält die Ökonomie vorübergehend am Laufen.
Ob sie den tatsächlichen Gegebenheiten der Kultur- und Kreativwirtschaft gerecht wird, der zweitgrößten Branche nach der Automobilindustrie, ist die Frage. Laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sind die schöpferischen und gestaltenden Menschen die Basis der Kultur- und Kreativwirtschaft: Autoren, Filmemacher, Musiker, bildende und darstellende Künstler, Architekten, Designer und die Entwickler schaffen künstlerische Qualität, kulturelle Vielfalt, kreative Erneuerung und stehen zugleich für die wirtschaftliche Dynamik einer auf Wissen und Innovation basierenden Branche. Die Kultur- und Kreativwirtschaft wird insbesondere von Freiberuflern sowie von Klein- und Kleinstbetrieben geprägt.
Diese arbeiten typischerweise zeitversetzt, mit langen Planungsphasen. So dauert es geraume Zeit vom Beginn eines Projekts bis zum Projektabschluss, um den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Ob da die Bedingungen einer Soforthilfe standhalten? Aber was folgt danach? Nach reiflicher Überlegung bleibt dann wahrscheinlich nur noch der Gang zum Sozialamt, in der Hoffnung dort weitere Hilfe zu finden. Aber weit gefehlt. Eigentlich erwartet man Sozialhilfe, in Wirklichkeit erfährt man Sozialabwehr.
Man erhält keinerlei Beratung, wird überschüttet mit einer Flut irrelevanter Fragen, eigene Fragen werden nicht beantwort und es werden letztendlich Entscheidungen getroffen unter Geringschätzung von vorgelegten Attesten und Gutachten. Der Verdacht drängt sich auf, es gibt nur das Ziel möglichst die Leistungsansprüche zu minimieren statt zu optimieren.
Alles in allem ein diskriminierender, zermürbender Vorgang im Umgang mit dem Hilfebedürftigen. Der freie Fall vom mündigen Bürger in die totale staatliche Abhängigkeit hat begonnen. Wundert man sich da, wenn jegliche Glaubwürdigkeit in die Politik und das Vertrauen in die Politiker schwindet? Ein Armutszeugnis gegenüber unserer Gesellschaft. Unser gesamtes System muss dringend überdacht werden. Es ist nicht alles Gold (Sozial) was glänzt. Packen wir’s an.
Der Rückhalt Kultur
Schaut man sich das Gesamtszenario an, wird schnell klar, dass etwas geschehen muss. Kunst und Kultur im öffentlichen Raum als Vermittler von Inhalten gibt es derzeit nicht mehr in gewohntem und notwendigem Umfang. Kunst und Kultur lebt von der Begegnung. Nach Ersatzlösungen wird gesucht.
Am 05. April war es soweit: Die virtuellen Kulturbühne mit der Sonntagsmatinee um 11 ging auf www.kulturforum-oberland.de an den Start. Kultur Valley, die Kulturwerkstatt im Oberland e.V. und Kulturvision e.V. hatten sich zusammengetan und ein Zeichen gegen den Stillstand des kulturellen Lebens durch die Corona-Pandemie gesetzt.
Die drei Initiatoren schickten kurz nach dem Lockdown im März einen Aufruf in die Oberland-Welt, dass Künstler aller Sparten kurze Videobeiträge einsenden könnten, die in der virtuellen Kulturbühne immer Sonntag ab 11 Uhr zu sehen sein sollten. Der Zulauf war enorm – irgendwann gab es eine richtige Warteliste. Es war eine Chance, wenigstens im Gedächtnis der Öffentlichkeit zu bleiben – während Bühnen, Veranstalter, Kulturhäuser geschlossen blieben.
Weil das Angebot an Kulturbeiträgen so groß war, trafen sich die Initiatoren wöchentlich zu virtuellen Redaktionskonferenzen, planten, stellten die Beiträge zusammen und begleiteten jede Aufführung über Webseiten, Artikel und Posts. Im Laufe der Monate entwickelte sich ein richtiges Stammpublikum, das darauf wartete, Kultur zuhause über Computer oder Handy sehen und hören zu können.
Auch wenn der Autor Karl-Heinz Hummel es vor kurzem so auf den Punkt gebracht hat:
„Lebt doch ein Atelierbesuch vom Geruch der Farben oder der Werkstoffe, der sich dann je nach Tageszeit mit einem Glas Weiß- oder Rotwein vermischt, Jazz ohne Stallgeruch, eine gewisse Enge, Bläserwasser und Bierglas ist auch nur ein Teil der Sinnlichkeit und auch der wunderbar gespielte Piazolla braucht zur Vollendung das Atmen der Künstler mit den Zuhörern…“
Unser gemeinsames Credo heißt: Kultur hat uns etwas zu sagen, Kultur tut gut, Kultur ist Balsam für Leib und Seele. Die Kurzbeiträge sollen die Präsenz von Kunst und Kultur dokumentieren, den Kontakt zwischen Künstlern und Publikum aufrechterhalten und vor Vereinsamung schützen.
Die Lehren, Gedanken und Anregungen aus der Pandemie
Hoffnung und Enttäuschung liegen nahe beieinander. Die Hoffnung, dass die Menschheit endlich zu Besinnung kommt und sich nicht als Herrscher sondern Gast auf diesem Planeten fühlt, indem er ihn nicht schlechter, sondern ein bisschen besser hinterlässt als er ihn vorgefunden hat. Enttäuschung darüber, dass Geld, Macht und Gier überwiegen und es weitergeht wie bisher. Obwohl, so schlimm ist das ja gar nicht. Weil wenn hier alles zusammenbricht und nichts mehr übrig bleibt, dann ziehen wir einfach um auf den Mars. Wieder ein irrsinniger Gedanke, der nichts als viel Geld kostet. Sollten wir nicht besser daran tun, dass wir einfach nur unsere Denk- und Handlungsgewohnheiten überprüfen?
Wie wär’s z.B. mit
– Miteinander statt Gegeneinander, zuhören und respektieren
– Qualität statt Quantität, Mehrwert schaffen, dem „Made in Germany“ in wieder Rechnung tragen
– Aktivität statt Passivität, kreativ statt lethargisch sein
– Ökologie statt Ökonomie, auf Regionalität Wert legen
– Identität statt Anonymität, sich öffentlich bekennen statt anonym verstecken, „seinen Mann stehen“
– Autarkie statt Abhängigkeit, Selbstbestimmung statt Fremdsteuerung
– Diversifikation statt Monotonie, Risiken minimieren durch Vielfalt statt Eintönigkeit
– Bescheidenheit statt Gier, man kann sich auch an schönen Dingen erfreuen
Man kann mit Geld nicht alles haben was man will, aber alles was man braucht. Ist es wirklich das Geld und die Karriere die glücklich machen oder ist es eher die Zeit, das Gleichgewicht von Beruf und Freizeit? Die WHO definierte bereits 1948 Gesundheit wie folgt: „Gesundheit ist ein Zustand völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens.“ Wo stehen wir da? Was kann uns dabei helfen?
Drei Säulen könnten das Fundament einer pragmatischen Weltanschauung sein:
Das sind Wissenschaft & Bildung: Wissen als Grundlage für Bildung. Aufzeigen von Grenzen (Harald Lesch). Bildung, die uns befähigt Zusammenhänge zu erkennen. Bildung, die uns zu neuen Erkenntnissen führt. Bildung, um die neu gewonnen Erkenntnisse zur Anwendung zu bringen.
Das sind Philosophie & Ethik: Die Liebe zu Weisheit. Die Frage nach dem Sinn des Lebens. Divinitas, Tugend und Glück als höchstes Gut (Aristoteles, Kant). Die Bewertung menschlichen Handelns, dem moralischen, verantwortungsvollen Handeln. Wissenschaftliche Erkenntnisse nicht für fragwürdige Zwecke missbrauchen. Diskursfähigkeit als zentrale Eigenschaft.
Das sind Kunst & Kultur: Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Sprache als eine Form des Ausdrucks hat Grenzen. Kunst ist sprachunabhängig, ist die Seele nach außen zu kehren. Schon im antiken Griechenland hebt Aristoteles die Bedeutung der Schönheit in der Darstellung und die Leidenschaft in der Praktizierung hervor.
Die Pandemie führt uns gnadenlos vor Augen, wo es krankt. Sie hat uns wachgerüttelt. Wir müssen an den Ursachen arbeiten, nicht an den Symptomen. Da gehen die Meinungen sowieso auseinander. Man sollte sich nicht in Sicherheit wähnen, wenn andere kluge Ratschläge geben. Für sich selbst vernünftig und verantwortungsvoll entscheiden. Agieren statt reagieren. Und es gibt es, das Allheilmittel. Kennen Sie „die drei Siebe des Sokrates“? Nein? Dann wird es höchste Zeit. Ein perfekter Orientierungshelfer, der in jeder Lebenslage funktioniert.
Wenn sich irgendjemand bei einem der Themen angesprochen fühlt, insbesondere im Falle einer existenziellen Bedrohung, so möge er mich gerne zum gemeinsamen Austausch kontaktieren. Ich freue mich. Alleine sind wir stark, aber gemeinsam sind wir stärker.
Rolf Brandthaus, Jahrgang 1954
Dipl.-Ing. und Kulturmanager i. R.