Annemarie Hagn | Beobachtungen und Gedanken zu Corona aus dem Ersten Stock

Naja… erst dachte ich das findet weit weg statt, und was es nicht wieder alles gibt. In kürzester Zeit sprach man von einer Pandemie. Das habe ich mal so gelernt. Jetzt ist es so. Ich als Krankenschwester habe da ja sowieso keine Wahl. Da bist Du an vorderster Stelle dabei.

Hab keine Angst.  Berichte erscheinen stündlich und der Ministerpräsident spricht extra. Jetzt sitzen alle vor dem Fernseher damit man ja nichts Wichtiges versäumt.

Zum Glück heulen keine Sirenen. Jedoch … Alarm aus dem Zillertal (M.M. 23.3.2020). Ein ganzes Bundesland ist in Quarantäne. Wir erleben eine Ausgangsbeschränkung. Das ist nicht ganz so schlimm, das ist eher so, als wenn doch noch wo eine Zigarette, beim Versuch aufzuhören, zu finden ist. Ich schaue aus dem Fenster, sehe auf die Autobahn und kann dabei bis 20 dann sogar bis 60 und sogar noch weiter zählen, bis wieder ein Auto auf der Bildfläche erscheint. Dieses Spiel mache ich hin und wieder.

Es wird rundherum immer stiller, fühlt sich eigenartig aber nicht unangenehm an. Was wird das?

Papst Franziskus steht bei strömendem Regen vor dem Pestkreuz, es ist Gründonnerstag, bei ihm sind vielleicht noch 5 Vatikanische. Er sagte „warum habt ihr solche Angst…habt ihr noch einen Glauben…Herr segne die Welt und überlasse uns nicht den Stürmen.“ Der graue Marmor glänzt als hätte man ihn lackiert. Im Hintergrund hört man aus dem Petersdom die Orgel mit dem Register, schön. Irgendwann komm ich schon nach Rom, dann schau ich mir alles an.

Jetzt brauch ich Lego Ninjago für Noah. Den Marktplatz und den Diamantenraub. Wir sind das telefonisch durchgegangen. Dabei handelt es sich um Fachgespräche. In dieser Ausnahmesituation braucht es auch Ausnahmen. Keine Schule, 24 Stunden zu Hause, da darf ein Sonderwunsch erfüllt werden.

Es ist das erste Wochenende mit dieser Ausgangsbeschränkung. Bekomm eine Nähmaschine geliehen, hab frei und hol diese halb verstohlen ab. Jetzt brauchts Mund-Nase-Masken. Im Zickzack und in Falten gelegte Stoffteilchen mit einem Bändchen. Es seien alle ausverkauft und vorerst ist keine weitere Produktion im Land erkennbar. Also selbermachen, ist doch klar. Wie kann man sich denn nur immer auf andere verlassen?

Manchen steht er, mache sehen aus als hätten sie sich eine große Unterhose übers Gesicht gestülpt. Wieder andere halten sich großmaschige Schals vor den Mund. Bloß nicht berühren! Waschdatum schon lange abgelaufen, bäh, pfui Deife, mir graust!

Dann beim Einkaufen, die Blicke … Bechterew gebeugt im Gummiausweichschritt mit Klopapier unter dem Arm an mir vorbei, damit man sich ja nicht berührt. Geht‘s noch? Das Lächeln haben dabei viele komplett ausgelagert. Punktabzug.

Homeoffice, keine Ahnung.

Unsere Patres haben nicht einmal ein Gebetsoffice. In den Zeitungen heißt es (M.M.4/20): „Der Gottesdienst findet zu einem späteren Zeitpunkt statt.“ So wird es sein, denn zuerst kommt keiner in die Kirche rein, später dann wird keiner mehr herauskommen vor lauter Nachbeten.

Die Rathäuser sind seit Monaten zu. Die Ansteckungsgefahr muss riesengroß sein, obwohl die Schreibtische so groß wie Flipperkästen sind, nur mit Termin. Okay. So behütet möcht ich auch mal arbeiten können.

Für uns klatscht man großflächig vom Balkon. Was soll ich davon halten? Gut gemeint und doch schnell wieder vergessen. Diese Aktion scheint nicht bis Berlin durchgekommen zu sein. War auch nicht zu erwarten.

Große Feste fallen aus, was ich gut aushalten kann. Immer größer und immer mehr. Ein Sozialverhalten hat sich entwickelt wie der Grundstückspreis.

Ob wir nun gescheiter werden? Ich kann es nicht sagen. Ein Glück, wenn man gesund sein darf und jeder seine kleine Welt schützen kann.

Lachen ist nicht verboten, es ist überhaupt nichts verboten. Mach es nur richtig, mit Verstand und Verantwortung. Hab keine Angst vor Stürmen, hier im Oberbayerischen sowieso nicht, wo uns eh der Bauch bepinselt wird.

Kann ganz gut allein sein und wenn ich dann Lust auf Gesellschaft Verspüre, find ich auch eine. Meistens. Benehmen wir uns, so bringt keiner den anderen in Verlegenheit. Ganz Einfach – und ein Glas Wein dazu.

Halleluja.

 

mit Grüßen aus dem Voralpenland von Annabell Petersil (Annemarie Hagn, Valley)