Barbara Feldbacher | Corona 2020 – Melodie der Stille

Die Krone der Schöpfung,
entlaubt vom Lorbeer der Selbstgewissheit,
vom Eifer steter Wucherung
nach Macht und Gewinn,
der Ausschöpfung alles Einnehmbaren –
stürzt – ohne Warnung –
in die Erschütterung
von Ratlosigkeit und Angst.

 

Efeu wächst aus den Augen
der vielen Toten, die dem Licht vertrauten,
den Ergebnissen des forschenden Geistes,
den vielversprechenden Methoden und Mitteln,
getragen von Hoffnung auf Heilung
und den versagenden Händen
ihrer Mutmacher.

 

Schweigen zieht ein
in die zwanghafte Unrast der Städte.
Das mechanische Rauschen verebbt
an Küsten von Weglosigkeit.
Die bunten Blüten des Dabeiseins
und der rauschenden Bewegung
sinken als blasse Schatten dahin.

 

Hörst du’s –
wie sie still stehen, die Räder?
Wie die Zeiger aus den Uhren fallen?

 

Hörst Du,
der Tröstung verwandt,
die M e l o d i e  d e r  S t i l l e,
zwischen den Salzsäulen
unbelehrbarer Rückschau,
und w i e sie einkehrt
als zaghafte Schönheit
wo immer der Lärm der Verblendung
erlischt?

 

Siehst du –
wie sie sich schließen,
die Türen,
eine vor der anderen,
aber wie Fenster sich auftun
in der Hoffnung auf Zuwendung,
wie Knospen, auf der Suche nach Licht –
und zurückfallen müssen
in die Gräben der Einsamkeit. . .?

 

Und fühlst du ihn,
schaudernd,
den Atem der Gefahr,
heimlich, lautlos, unsichtbar,
vielleicht auch
zwischen Dir und mir,
den giftigen Hauch in Tröpfchen versprüht,
dem das Ersticken gepaart sein kann?

 

Und während . . .
der Duft des Mohns dunkel
durch verlassene Straßen zieht,
wo Geister in Masken
auf Einsegnung warten,
malen berechnende Hände,
Tag für Tag,
in blanken Kurven die Zahlen
von Kranken,
Genesenen
und Toten
auf abwaschbare Wände. . .

 

Wer waren sie?
Wer bist du?

 

Wer sind wir,
die wir den Mond
nach seinem Anteil an Sonne
beurteilen?

 

Und doch – ahnst du es,
das Verlernte besinnend,
wenn die Tore der Toren endlich sich schließen:
w i e die Stille sich auflöst,
hörst du,
siehst du,
spürst du,
dass da noch Musik ist über den Tälern,
wenn der Wind singend die Ähren streift,
die dein Brot sind,
und der Sturm seine Lieder daherbraust
über den Bergen der Zuversicht,
als ein großer Gesang,
und
w i l l  erkannt sein
von der Sehnsucht deines Herzen
nach dem ewigen Klang.

 

bf  juni 2020