Andrea Wehrmann | Kostprobe aus 12Monate12Bilder12Lieder

Seit meinem 13. Lebensjahr begleite ich Gottesdienste an der Orgel, als 14-jährige unterschrieb ich meinen ersten Anstellungsvertrag als Organistin. In meinem bisherigen Berufsleben habe ich es nicht erlebt, dass ein Gottesdienst in der Kirche abgesagt werden musste. Corona hat alles verändert und ab Sonntag, den 15. März hatte ich quasi Berufsverbot.

Als prinzipiell optimistischer Mensch dachte ich anfangs, dass spätestens nach den Osterferien alles wieder nach Plan laufen würde. So freute ich mich zunächst über die gewonnene Zeit, die mir erlaubte, intensiv Orgel zu üben und mich meinen Kompositionsprojekten zu widmen.

Weil bald deutlich wurde, dass die Beeinträchtigung durch Corona andauern wird, musste man nach neuen Möglichkeiten suchen und die Vorteile des Internets nutzen. Die Pfarrer stellten ihre Predigten online und ich lieferte per mp3 die Musik dazu. Der Gospelchor bekam per Email Übungs-Einheiten und für den Seniorenchor stellte ich Online–Kurzproben auf die Homepage der evangelischen Kirchengemeinde. Schweren Herzens musste ich die vielen Veranstaltungen wie Orgelwoche, Kindersingspiel, Musik bei Kerzenschein u.v.m. absagen.

Zunehmend inspirierte mich die frei gewordene Zeit zum Komponieren. Neben kleinen Werken für Gesang oder Klavier für die Online-Andachten schrieb ich für den ersten Gottesdienst am 10. Mai, dem Sonntag, der den Namen „Cantate“ trägt, passende Stücke für 3 Frauenstimmen, außerdem Teile einer Messe für Sopran, Alt und Orgel.

Vor allem aber begann ich mein Projekt „12Monate12Bilder12Lieder“, das ich schon lange verwirklichen wollte. Ich liebe die Verbindung von Wort, Ton und Malerei, daher habe ich für jeden Monat ein Gedicht ausgewählt, das ich für Sopran, Alt und Klavier vertone und eine befreundete Künstlerin, Cornelia Meier aus meiner Heimatstadt Ratzeburg, malt dazu entsprechende Bilder.

Juli

Hier als Kostprobe das „Lied zum Juli“ zusammen mit dem Bild und dem Gedicht:

Bild Cornelia Meier
Bild Cornelia Meier

 

Theodor Storm – Juli

Klingt im Wind ein Wiegenlied
Sonne warm herniedersieht
Seine Ähren senkt das Korn
Rote Beere schwillt am Dorn
Schwer von Segen ist die Flur
Junge Frau, was sinnst du nur?

 

 

 

 

 

Für die Online-Andacht an Karfreitag habe ich das Stück „Also hat Gott die Welt geliebt“ für uns 3 Nachtigallen geschrieben, das hier zu hören ist.

 

Ich bin sehr dankbar, dass ich mit Barbara Pischetsrieder und Ursula Bommer zwei Sängerinnen als Freundinnen habe, die meine Ideen so wunderbar umsetzen!

 

 

 

 

 

 

 

Die zunehmenden Lockerungen brachten mich auf die Idee, freischaffende Künstler einzuladen, sonntags die Gottesdienste mit besonderer Musik auszuschmücken. Man freute sich über das Honorar, aber v.a. über die Möglichkeit, endlich wieder auftreten zu dürfen.

Als dann ab 21. Juni endlich die Erlaubnis zum Chorsingen kam, ging ich mit Meterstab bewaffnet in die Kirche, um Abstände zu messen und mit farbigen Zetteln die „Singplätze“ zu markieren. Gospelchor und Kirchenchor proben seitdem in kleinen Gruppen in der Kirche und der Seniorenchor hatte dienstags am Vormittag immer schönes Wetter, so dass wir draußen proben konnten. Leider musste der Kinderchor noch pausieren, was ich sehr bedaure.

Rückblickend waren die vergangenen Monate für mich persönlich eine sehr kreative Zeit, die ich nicht missen möchte. Ich hoffe aber trotzdem, dass sich die Situation bald wieder normalisiert.

 

Andrea Wehrmann, 53 Jahre,
evangelische Kirchenmusikerin in Miesbach, Klavier- und Orgelpädagogin